Pressemitteilung |

Verhütungsberatung statt Schwangerschaftsabbruch – Trend: Abbrüche und Hormonskepsis nehmen zu

Ende Juni hat das Statistische Bundesamt (Destatis) die aktuellen Zahlen zu den Schwangerschaftsabbrüchen des 1. Quartals 2023 veröffentlicht. Sie zeigen eine Zunahme von 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Seit dem 1. Quartal 2022 steigen die Zahlen kontinuierlich gegenüber den Vorjahresquartalen von 2021 an (zwischen 4,8 und 16,7 Prozent). Die prozentuale Verteilung innerhalb der Altersgruppen hat sich nicht verändert: mit 70 Prozent war die Altersgruppe der 18 bis 34jährigen am stärksten vertreten. Mit ein Grund dafür ist, dass in dieser Altersgruppe rund 90 Prozent der gesamten Schwangerschaften vorkommen.

Die Statistik erfasst jedoch nicht die Beweggründe für einen Abbruch, ebenso wenig wie die Ursachen für ungewollte Schwangerschaften. Um den Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche zu erklären, gibt es verschiedene Ansätze.

Wandel im Bewusstsein der Patientinnen

Als Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) nehmen wir in den letzten Jahren einen Wandel im Bewusstsein bei der Verhütung wahr – gerade bei jungen Patientinnen. Wir beobachten einen Trend zur Verhütung ohne Hormone. Frauen und ihre Partner verlassen sich zunehmend auch auf das Messen der Temperatur oder Zyklusapps, teilweise ohne eine vorherige gynäkologische Fachberatung.

Diese Wahrnehmung lässt sich zumindest für die Jahre 2014 bis 2019 durch die Untersuchung der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA), „Jugendsexualität 9. Welle“ (Altersgruppe 14 bis 25 Jahre) belegen, die Trendentwicklungen für Jugendliche aufzeigt. Dort zeigt die Verwendung der Pille eine klare rückläufige Tendenz – ein Drittel der sexuell aktiven Mädchen unter 18 Jahren hat Sorge vor körperlichen und seelischen Schäden durch hormonelle Verhütungsmethoden.

Dieser Trend manifestiert sich laut BZgA-Befragung ebenso beim Verhütungsverhalten Erwachsener – am deutlichsten in der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren: dort ist die Pillennutzung von 72 Prozent auf 56 Prozent gesunken. Bei Frauen in den Dreißigern liegt der Schwerpunkt der Verhütungsmethoden im Gegensatz zu 2011 nicht mehr auf der Pille. In dieser Befragung stimmt rund die Hälfte der Befragten der Aussage zu, dass die Verhütung mit der Pille negative Auswirkungen auf Körper und Seele habe.
Ein Blick in Diskussionsforen und Social-Media-Plattformen, aber auch viele Beiträge in den Printmedien zeigen, dass sich dieser Trend weiter fortgesetzt hat, er deckt sich auch mit Berichten aus der Ärzteschaft. „Wir machen in unseren Sprechstunden immer häufiger die Beobachtung, dass vor allem junge Frauen über das Internet mit vielfältigen Informationen konfrontiert werden und oft äußerst voreingenommen sind, wenn sie nach zuverlässigen Methoden der Empfängnisverhütung fragen“, so Dr. Cornelia Hösemann, Vorstandsmitglied des BVF.

Fehlendes Datenmaterial

Um valide Aussagen über Zusammenhänge treffen zu können, fehlt es jedoch an belastbarem Zahlenmaterial zu den Gründen von Schwangerschaftsabbrüchen sowie den Ursachen ungewollter Schwangerschaften. Beides wirkt sich auf die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche aus. Nach Aussage des Statistischen Bundesamtes stehen Abbruchszahlen immer in Zusammenhang mit der Gesamtzahl der Geburten. Allerdings sind die Geburtenraten insgesamt – abgesehen von einem kurzen Anstieg in Zeiten der Pandemie – rückgängig, während Abbruchszahlen weiter steigen. Ebenso spielen hier auch Faktoren wie die aktuelle wirtschaftliche Lage oder die Folgen des Kriegs in der Ukraine eine Rolle, gleichzeitig ist für den Anstieg der ungewollten Schwangerschaften laut unserer Beobachtung jedoch das geänderte Verhütungsverhalten verantwortlich.
Hormon-Bashing in Social Media versus gynäkologische Fachberatung

Vornehmlich in den sozialen Medien berichten Frauen über ihre negativen Erfahrungen mit hormonellen Kontrazeptiva. Diese Einzelmeinungen spiegeln jedoch nicht immer die umfassenden wissenschaftliche Erkenntnisse und Errungenschaften wider. Die Erfahrungen sind oft nicht übertragbar. Zudem werden sie nicht der Bandbreite der unterschiedlichen Hormonpräparate gerecht. Frauen sollten sich beim Thema „Pille: ja oder nein“ nicht auf die teils radikalen und einseitig negativen Social-Media-Kommentare verlassen.

Bei Verhütungsfragen ist es unerlässlich – unabhängig ob hormonell oder nicht hormonell – die medizinisch fundierte und objektive Beratung bei einer Gynäkologin oder einem Gynäkologen wahrzunehmen. „Ziel der Empfängnisregelung für Mädchen und Frauen mit Verhütungswunsch ist es, eine individuell geeignete, sichere und nebenwirkungsarme oder -freie Methode zu finden“, sagt Dr. Klaus Doubek, Präsident des BVF.

Aus wissenschaftlicher Sicht zählt die hormonelle Kontrazeption zu den zuverlässigsten Methoden der reversiblen Empfängnisverhütungen. Grundsätzlich bedarf jeder Einsatz von Verhütungsmitteln einer Einzelfallbetrachtung, bei der eine ausführliche Anamnese mit der Prüfung von möglichen Risikofaktoren erhoben wird. Die Beratung durch die Frauenärztin oder den Frauenarzt findet in einem vertrauensvollen Umfeld statt und ist fachlich kompetent.

Quellen:

  1. BZgA-Repräsentativstudie „Jugendsexualität 9. Welle“ (2019/2020)
  2. BZgA-Befragung Verhütungsverhalten Erwachsener (2018)
  3. Warum die Zahl der Abtreibungen in Deutschland stark steigt (14.09.2022) von Sabine Menkens; welt.de (abgerufen am 05.07.2023)