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Gesetzesinitiative zur Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche stärkt Informationsrechte für Frauen und ÄrztInnen

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) und der Berufsverband der Frauenärzte e. V. (BVF) befürworten unvoreingenommen die Unterstützung von Frauen in Not. Insofern ist die Gesetzesinitiative des Bundesjustizministers zur Streichung des § 219a StGB ein Meilenstein, auch für die ÄrztInnen, die bereit sind, Frauen auf dem belastenden Weg eines Schwangerschaftsabbruchs zu begleiten.(1)

Dass ungewollte Schwangerschaften existenzielle Nöte auslösen können, die zu einem Gefühl der Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und im extremen Fall sogar zur Selbsttötung führen, erfahren FrauenärztInnen häufig ganz persönlich hautnah in ihrem Berufsalltag. Niedergelassene FrauenärztInnen sowie Kliniken, insbesondere im ländlichen Raum, die bereit sind, gesetzeskonform Frauen beim Schwangerschaftsabbruch zu helfen, sind nicht selten harscher Kritik und Anfeindungen ausgesetzt. Hinzu kommt, wenn sie etwa auf ihrer Internetseite Informationen zu Methoden, Ablauf oder organisatorischen Fragen für einen Schwangerschaftsabbruch im Rahmen ihres Leistungsspektrums veröffentlichen, verstoßen sie aktuell gegen geltendes Recht. Sachliche Information für Patientinnen werden hier als strafrechtlich unzulässige „Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“ geahndet. Dies kann sich gemäß einem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums bald ändern. Der Entwurf sieht gemäß Koalitionsvertrag vor, den § 219a „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ ersatzlos zu streichen. Damit könnten ÄrztInnen Frauen mit einem Schwangerschaftskonflikt über ihr Unterstützungsangebot informieren, ohne wie bisher selbst eine Strafverfolgung befürchten zu müssen.

Die Auseinandersetzung des Gesetzgebers mit dem Werbeverbot war längst überfällig. Frauenärztinnen und Frauenärzten muss die medizinische und sachliche Information über die Methoden und Abläufe eines Schwangerschaftsabbruchs möglich sein. Im Informationszeitalter ist es überholt, hilfesuchenden Frauen den direkten Zugang zu diesen Informationen zu erschweren.

(Dr. Klaus Doubek, Präsident vom Berufsverband der Frauenärzte e.V.)

Gleichzeitig darf es keinen Raum mehr für die missbräuchliche Ausnutzung dieser Strafvorschrift durch verschiedene Initiativen von Abtreibungsgegnern geben, die systematisch ÄrztInnen, die Frauen in Not helfen und das bei der Darstellung ihres Leistungsspektrums auf ihrer Website erwähnen, strafrechtlich anzeigen. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, dass Gerichte ab sofort entsprechende Klagen nicht mehr zulassen. Der Vorstoß von Bundesjustizminister Marco Buschmann ist daher zu begrüßen. Zukünftig hätten Frauen mit einem Schwangerschaftskonflikt die Möglichkeit, niederschwellig an entsprechende Sachinformationen zu gelangen.

Es ist mehr als begrüßenswert, dass wir mit der Aufhebung des § 219a bald die benötigte Rechtssicherheit erhalten werden. Denn gerade wir FrauenärztInnen besitzen die Expertise, um Frauen in ihrer Notlage umfassend und evidenzbasiert zu beraten.

(Prof. Dr. Anton J. Scharl, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V)

Ein Schwangerschaftsabbruch sollte nicht als eine Frage der sexuellen Selbstbestimmung der Frau interpretiert werden. Ein Schwangerschaftsabbruch ist eine Nothilfe, wenn Verhütung versagt hat, eine medizinische Indikation vorliegt oder die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt, zum Beispiel einer Vergewaltigung, beruht. Weil in den meisten Fällen ungewollte Schwangerschaften auf ein Versagen der Verhütung zurückzuführen sind, müsse der Grad der Aufklärung und der Zugang zu Informationen über wirksame Verhütung hierzulande zeitnah verbessert werden, betonen beide Präsidenten. Wirksame Verhütungsmethoden sind so niederschwellig wie noch nie zuvor zugänglich. Die Mitglieder des German Board and College of Obstetrics and Gynecology (GBCOG) wünschen sich daher grundsätzlich mehr Aufklärung in Schulen über die weibliche Biologie und die Möglichkeiten, um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden, sowie eine größere Sensibilisierung hinsichtlich der Versagerrate „natürlicher“ Verhütungsmethoden und eine höhere Sorgfalt bei der Berichterstattung über hormonelle Kontrazeption („Pille“) sowie den bestehenden, mitunter sehr „bunten“ digitalen Produktmarkt.

Leitlinie „Sicherer Schwangerschaftsabbruch“ in Arbeit

Durchführung und Überwachung sowie die Methodenwahl bei Schwangerschaftsabbrüchen im Zeitraum der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft (§ 218a Absatz 1 Nummer 3 StGB)2 sind bislang in Deutschland noch nicht in einer medizinischen Leitlinie geregelt. International liegen zwar evidenzbasierte Handlungsempfehlungen vor – jedoch gelten diese für andere Gesundheitssysteme und andere gesetzliche Ausgangsbedingungen. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2023 vorgesehen.3

Quellen

(1) https://www.bmj.de/SharedDocs/Zitate/DE/2022/0117_Paragraph_219a.html

(2) https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__218.html

(3) https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/015-094.html