Pressemitteilung |

Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) zum Internationalen Aktionstag für Frauengesundheit (28. Mai 2025): Zwischen Fortschritt und Verantwortung

Der Internationale Aktionstag für Frauengesundheit findet jährlich am 28. Mai statt, um ein Bewusstsein für die spezifischen Gesundheitsbedürfnisse von Frauen zu schaffen, Hindernisse zu identifizieren und Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Gesundheit zu verbessern. Die Frauenheilkunde und Geburtshilfe nimmt dabei eine zentrale Rolle ein: Sie begleitet Frauen durch alle Lebensphasen – von der Pubertät bis ins hohe Alter – und ist für die Gesundheit von rund der Hälfte der Bevölkerung verantwortlich. Neben der Betreuung von Schwangerschaft und Geburt umfasst das Fachgebiet auch die Prävention und Behandlung gynäkologischer Erkrankungen sowie die psychosomatische Grundversorgung. Im Mittelpunkt steht dabei stets die Patientin mit ihren individuellen Bedürfnissen. Trotz der hohen gesellschaftlichen Bedeutung der Frauengesundheit bleibt die Versorgung in einigen Bereichen herausfordernd. Dennoch gibt es erfreuliche Entwicklungen, die Anlass zur Zuversicht geben.

Der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) hat anlässlich des Aktionstags im Zeichen der Frauengesundheit eine kleine Auswahl engagierter Mandatsträgerinnen* befragt, welche positiven Veränderungen sie in den letzten Jahren beobachten konnten und wo aus ihrer Sicht weiterer Handlungsbedarf besteht.

Zum Vergrößern bitte das Bild anklicken.

Präsident des BVF, Dr. Klaus Doubek, kommentiert:

Frauengesundheit ist unser tägliches Anliegen – mit all ihren Facetten und Herausforderungen. In den vergangenen Jahren wurden neben innovativen, erfolgreichen Krebstherapien, Präventionsmaßnahmen zu HPV, auch komplexe Krankheitsbilder wie die Endometriose oder der Zeitraum der Perimenopause stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt, auch wenn nicht jede mediale Darstellung der tatsächlichen Realität in den Praxen gerecht wird. Eine qualitativ hochwertige Versorgung hängt maßgeblich von politischen und strukturellen Rahmenbedingungen ab. Hier sehen wir weiterhin Verbesserungspotenzial – insbesondere bei der Anerkennung eines veränderten Leistungsanspruchs und -bedarfs mit all seinen Auswirkungen auf die Vergütung der fachärztlichen Praxen. Eine wünschenswerte Entwicklung wäre der gezielte Einsatz funktionaler digitaler Lösungen, auch durch Künstliche Intelligenz, damit die ärztliche Zeit für das Patientinnengespräch nicht mehr so stark durch bürokratische Arbeit kompromittiert wird.

Susanne Bechert, Landesvorsitzende Schleswig-Holstein

Liebe Frau Bechert, Sie sind seit Dezember 2024 Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren positiv für die Versorgung von Frauen verändert und wo möchten Sie persönlich weiter ansetzen?

Die Frauengesundheit ist deutlich stärker in den öffentlichen und politischen Fokus gerückt. Programme wie „QuaMaDi“, zur verbesserten Brustkrebsvorsorge, wurden erneut aufgelegt, die Vorsorgekoloskopie ist nun bereits ab 50 Jahren möglich – ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung. Auch der Mutterschutz nach Fehlgeburten und die zunehmende Sichtbarkeit von Themen wie Endometriose, Fehlgeburten oder Wechseljahresbeschwerden zeigen, dass frauenspezifische Gesundheitsfragen ernster genommen werden. Zudem wächst das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Unterschiede in der medizinischen Versorgung, etwa bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dennoch gibt es weiterhin Handlungsbedarf: Ich setze mich für den Erhalt und Ausbau der flächendeckenden ambulanten gynäkologischen Versorgung ein, insbesondere durch die Stärkung der niedergelassenen Praxen. Frauen mit Behinderungen benötigen eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Versorgung – das heißt: spezialisierte medizinische Zentren und eine angemessene Vergütung des Mehraufwands. Ein weiterer zentraler Punkt ist der niederschwellige Zugang zum Schwangerschaftsabbruch, wofür eine Reform des §218 notwendig ist. Und nicht zuletzt braucht es mehr Personal in Kreißsälen, um die empfohlene individuelle Betreuung unter der Geburt sicherzustellen.

Dr. Carmen Caspari, Bezirksvorsitzende Kassel

Liebe Frau Dr. Caspari, die frauenärztliche Versorgung hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt – wo sehen Sie heute konkrete Verbesserungen in der Betreuung Ihrer Patientinnen, etwa im Bereich Früherkennung, Digitalisierung oder im Verhältnis zu den Patientinnen?

Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennung spielten in den Praxen der Frauenheilkunde schon immer eine übergeordnete Rolle. So konnte das Zervixkarzinom von Platz eins der Krebserkrankungen der Frauen durch die Vorsorgeuntersuchungen weit zurückgedrängt werden. Das ist ein enormer Erfolg der letzten Jahrzehnte. Auch bei Mammographie-Screening und Darmkrebs- Vorsorge – diese wurde zuletzt von 55. auf das Alter von 50. runtergesetzt – gab es positive Änderungen. Das Thema Wechseljahre spielt eine zunehmend größere Rolle. Die Frau als selbstbestimmte Patientin sucht ihren eigenen Weg durch diese herausfordernde Zeit. Manchmal mit Unterstützung öffentlichkeitswirksamer Medien, aber fast immer mit Unterstützung ihrer Gynäkologin oder ihres Gynäkologen. Hier wünsche ich mir viel mehr Stärkung der sprechenden Medizin seitens der Politik. Beim Thema Digitalisierung schreitet Deutschland leider nur langsam voran. Vieles wurde angestoßen, vieles ist halbfertig. Die elektronische Patientenakte ist ein Medium mit großem Potential; die Arbeit mit ihr wird zeigen, ob uns die aktuelle Gestaltung der ePA die Arbeit erleichtert.

Dr. Marianne Röbl-Mathieu, Bezirksvorsitzende München

Liebe Frau Dr. Röbl-Mathieu, als niedergelassene Frauenärztin in München, betreuen Sie Mädchen und Frauen aller Altersklassen – welche positive Veränderung der letzten fünf Jahre stimmt Sie besonders positiv? Wo müsste sich die Versorgungssituation aus Ihrer Sicht noch maßgeblich verändern?

Eine der positivsten Entwicklungen der letzten Jahre ist für mich die gestiegene Sensibilität für geschlechterspezifische Medizin, auch wenn die Diskussion oft in erster Linie auf der soziologischen Ebene geführt wird, mit Betonung von Aspekten wie Diversität und Zugangsgerechtigkeit. Gleichzeitig werden differierende biologische Gegebenheiten zunehmend in den Blick genommen – ein Bewusstsein, das sich erfreulicherweise auch in konkreten Angeboten wie der M1 – Mädchensprechstunde widerspiegelt. Dieses Modellprojekt bietet jungen Mädchen einen geschützten Raum, in dem sie fundierte Informationen erhalten, in ihrer körperlichen Entwicklung begleitet und frühzeitig im Selbstbewusstsein für den eigenen Körper gestärkt werden. Gerade angesichts der wachsenden Verunsicherung durch medizinisches Halbwissen im Internet und auf Social Media ist die M1 ein wichtiges, niedrigschwelliges Gegengewicht. Trotz dieser Fortschritte sehe ich weiteren Handlungsbedarf, etwa bei der flächendeckenden Umsetzung solcher Angebote und der Einbeziehung von Jungen in eine geschlechtersensible Begleitung während der Pubertät. Auch strukturelle Hürden, insbesondere für sozial benachteiligte Jugendliche, müssen wir noch stärker in den Blick nehmen.

Dr. Jacqueline Hausold, Bezirksvorsitzende Dresden

Liebe Frau Dr. Hausold, als Bezirksvorsitzende in Dresden sind Sie auch für die kollegiale Vernetzung vor Ort eine Ansprechpartnerin. Wo sehen Sie positive Impulse in der regionalen Versorgung – etwa durch neue Initiativen, Kooperationen oder veränderte Bedürfnisse der Patientinnen?

Für gynäkologische Fachärztinnen und Fachärzte in Sachsen, besonders in Dresden, ist eine enge Vernetzung unverzichtbar. Angesichts des Fachkräftemangels, des klaren demografischen Wandels und des mittlerweile hohen wirtschaftlichen Drucks ist die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen, Kliniken, Hebammen und Beratungsstellen wichtig. Klare Kommunikationswege und persönliche Kontakte erleichtern die Patientenversorgung und stärken das Vertrauen. Im ländlichen Umland führen geschlossene Geburtshilfestandorte und lange Anfahrtswege zu Versorgungsdruck, das verlangt nach regionalen Lösungen. Netzwerke helfen, Versorgungslücken früh zu erkennen und gemeinsam Strategien zu entwickeln – etwa durch Fallbesprechungen und Kooperationen. Regionale Initiativen wie Perinatal- und Brustzentren sowie Qualitätszirkel fördern Wissensaustausch und Versorgungsqualität. Berufsverbände und ärztliche Arbeitsgemeinschaften unterstützen Vernetzung und fachliche Entwicklung. Kurz: Kollegiale Vernetzung ist zentral für eine nachhaltige, wohnortnahe und hochwertige gynäkologische Versorgung – nicht nur in Dresden.

Dr. Kerstin Schwarzer, Landesvorsitzende Bremen

Liebe Frau Dr. Schwarzer, als erfahrene Frauenärztin und als Landesvorsitzende in Bremen mit Einblick in die Berufspolitik: Welche Veränderung hat Sie in letzter Zeit besonders motiviert oder positiv überrascht – sei es auf fachlicher Ebene, im Miteinander der Kolleginnen oder in der politischen Diskussion?

Es freut mich sehr, dass Themen aus der Frauengesundheit mehr und mehr in der Öffentlichkeit diskutiert und nicht verschwiegen werden. Da sind sicherlich Endometriose, Wechseljahrsbeschwerden und auch der Umgang der Gesellschaft mit Schwangerschaftsabbrüchen zu nennen. Frauengesundheit betrifft über 50 Prozent der Bevölkerung und darf kein Nischenthema sein. Daher ist es auch sehr wichtig, dass sich der wissenschaftliche Fortschritt in der Medizin nicht hauptsächlich auf Studien stützt, die fast ausschließlich Männer als Probanden einschließen. Die weibliche Physiologie unterscheidet sich in vielen Bereichen sehr vom männlichen Körper. Das muss auch in der Forschung berücksichtigt werden. Ich bin froh, dass das zunehmend geschieht. Ganz persönlich motiviert mich jeden Tag die Tatsache, dass wir in unserer Praxis Frauen schon über Jahrzehnte, teils von der begleiteten Geburt am Start ihres Lebens bis jetzt in der eigenen Schwangerschaft und im Alter – oft auch über die die Grenzen unseres Faches hinaus- begleiten können, in vielen gesundheitlichen Herausforderungen, aber auch in sehr vielen schönen Momenten.

* Der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) ist einer der größten ärztlichen Berufsverbände in Deutschland. Er vertritt mit seinen 17 Landesverbänden seit mehr als 65 Jahren die standespolitischen und wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Kassenärztlichen Vereinigungen, der Bundesärztekammer, den Landesärztekammern, den Kostenträgern sowie in Politik und Wirtschaft, internationalen Organisationen und der breiten Öffentlichkeit. Die rund 15.000 Mitglieder des Verbandes sind zu 72 Prozent weiblich und die von ihnen gewählten Mandatsträger aus Ländern und Bezirken sind zu 52 Prozent weiblich. Dies spiegelt auch die Geschlechterverteilung in der gesamten Medizin und speziell der Frauenheilkunde und Geburtshilfe wider: 2022 waren erstmals 50 Prozent aller vertragsärztlichen Versorgenden weiblich. 2024 waren in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe sogar rund 75 Prozent Ärztinnen beschäftigt. Der Männeranteil wird jedes Jahr geringer. Der BVF hat 2025 in einer ordentlichen Vertreterversammlung über die Namensänderung zu „Berufsverband der Frauenärztinnen und Frauenärzte e.V. (BVF)“ positiv abgestimmt und damit die offizielle Umbenennung in die Wege geleitet.