Interview mit Dr. Elena Leineweber zu Falschinformationen in Sozialen Medien

Hormonelle Themen sind in den Medien präsent und gewinnen zunehmend an Aufmerksamkeit. Insbesondere im Internet verbreiten sich zahlreiche Falschinformationen und Pseudo-Wissen, vielfach von selbsternannten Hormonexpertinnen und -experten meist mit wirtschaftlichen Interessen und oftmals ohne medizinischen Hintergrund. Dem BVF ist es ein wichtiges ärztliches Anliegen, Mädchen und Frauen zu helfen, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden zu können. Vor diesem Hintergrund prüfen Frauenärztinnen und Frauenärzte des Verbandes regelmäßig Faktenchecks auf Social Media sowie in öffentlich-rechtlichen und privaten Medien aus fachärztlicher Sicht. Der BVF empfiehlt, sich an wissenschaftliche Studien oder offizielle Gesundheitsorganisationen mit geprüften Inhalten zu halten und sich, insbesondere bei vorhandenen gesundheitlichen Problemen, direkt an die frauenärztliche Praxis zu wenden.

Gezielte Aufklärung sorgt dafür, die Bedeutung einer stabilen, gesunden hormonellen Balance zu verstehen und aktiv zu ihrer Gesunderhaltung beizutragen, aber auch Anzeichen eines Ungleichgewichts frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls ärztlichen Rat einzuholen. Der BVF hat Dr. Elena Leineweber, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Hormon- und Kinderwunschexpertin sowie bekannt aus den sozialen Medien, einige Fragen gestellt, insbesondere wie man Falschinformationen leichter erkennen kann, wie eine Diagnostik bei PCOS abläuft und ob Hormonspeichel-Tests aus dem Internet sinnvoll sind.

BVF: Frau Dr. Leineweber, neben Ihrer Tätigkeit als niedergelassene Frauenärztin engagieren Sie sich auf Instagram und TikTok gegen Falschinformationen zu Hormonen. Was motiviert Sie dazu?

Dr. Elena Leineweber (EL): Ich sehe täglich in meiner Praxis, wie verunsichert viele Patientinnen durch widersprüchliche Informationen aus dem Internet sind. Es gibt zahlreiche Mythen über Hormone – von angeblich „natürlichen“ Alternativen bis hin zu pauschalen Behauptungen über die Gefährlichkeit bestimmter Therapien. Mir ist es wichtig, wissenschaftlich fundierte Informationen verständlich zu vermitteln und mit diesen Fehlinformationen aufzuräumen. So können Patientinnen selbstbestimmte Entscheidungen über ihre Gesundheit treffen.

BVF: Wie kann man als Patientin erkennen, ob eine Information über Hormone im Internet vertrauenswürdig ist?

EL: Seriöse Quellen zeichnen sich durch wissenschaftliche Fundierung aus. Wer sich informieren möchte, sollte auf offizielle medizinische Fachgesellschaften, Universitäten oder Ärztinnen und Ärzte mit nachweislicher fachärztlicher Expertise achten. Misstrauisch sollte man bei reißerischen Aussagen oder Heilsversprechen sein, besonders wenn sie mit Abonnements oder dem Verkauf von Produkten verbunden sind. Auch Quellenangaben können hilfreich sein. Werden wissenschaftliche Studien oder Leitlinien zitiert oder handelt es sich um persönliche Meinungen?

BVF: Was halten Sie von alternativen Hormontherapien oder Nahrungsergänzungsmitteln, die oft in sozialen Medien beworben werden?

EL: Viele dieser Mittel sind nicht evidenzbasiert. Nahrungsergänzungsmittel können zwar in bestimmten Fällen unterstützend wirken, aber sie ersetzen keine medizinische Behandlung. Besonders kritisch sehe ich Präparate, die keine nachgewiesene Wirksamkeit haben. Wer tatsächlich hormonelle Beschwerden hat, sollte diese ärztlich abklären lassen und nicht auf dubiose Online-Tipps vertrauen.

BVF: Welche hormonellen Störungen sind in der gynäkologischen Praxis besonders häufig?

EL: Zu den häufigsten Störungen gehören das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS), Hypothalamische Zyklusstörungen, Androgenisierungserscheinungen und Wechseljahresbeschwerden.

BVF: Wie wird beispielsweise das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) oder ein Progesteronmangel diagnostiziert und behandelt?

EL: Die Diagnose PCOS erfolgt bisher noch nach den sogenannten Rotterdam-Kriterien: mindestens zwei von drei Merkmalen müssen erfüllt sein – Zyklusstörungen, erhöhte männliche Hormone oder Androgeniserungserscheinungen und/oder polyzystische Ovarien im Ultraschall bzw. ein erhöhter Wert des Anti-Müller-Hormons (AMH). Die Behandlung hängt von den individuellen Beschwerden der Patientin ab. Bei Kinderwunsch kommen häufig medikamentöse Therapien zur Unterstützung der Eizellreifung zum Einsatz, während bei Stoffwechselproblemen eine Anpassung des Lebensstils und gegebenenfalls Medikamente gegen die Insulinresistenz helfen.
Zuerst wird im Patientinnengespräch eine ausführliche Anamnese durchgeführt, denn die Diagnose eines echten Progesteronmangels ist eine Klinische. Hinweise ergeben sich durch Zwischenblutungen in der Lutealphase, verstärkte PMS-Symptome oder eine kurze zweite Zyklushälfte. Ergänzend kann eine Hormonbestimmungen exakt eine Woche nach der Ovulation erfolgen. In der Behandlung können pflanzliche Präparate oder eine gezielte Progesterontherapie helfen. Bei Kinderwunsch sollte vor allem auch die Follikelreifung gestärkt werden.

BVF: Wie verlässlich sind Hormon-Speicheltests, die häufig online angeboten werden?

EL: Diese Tests für zu Hause sind leider größtenteils nichts validiert und damit teilweise wenig aussagekräftig. Speicheltests können zwar bestimmte Hormone adäquat messen, sind aber auch für viele Parameter störanfällig. Die meisten relevanten Hormonanalysen werden bis dato im Blut durchgeführt, da wir hier validierte Systeme haben und in der Regel weniger Störfaktoren vorliegen. Wer den Verdacht auf eine hormonelle Störung hat, sollte sich deswegen unbedingt ärztlich beraten lassen, anstatt auf solche Selbsttests zu vertrauen. Dann können hormonelle Analysen auch ärztlich bewertet werden.

BVF: Wann ist eine Hormontherapie sinnvoll – und wann eher nicht?

EL: Eine Hormontherapie ist sinnvoll, wenn eine medizinische Indikation besteht, wie etwa bei Wechseljahresbeschwerden, Hormonmangelzuständen oder bestimmten gynäkologischen Erkrankungen. Sie sollte immer individuell abgewogen werden – sowohl Nutzen als auch Risiken müssen berücksichtigt werden. Wenn Beschwerden durch Lebensstilmaßnahmen gut reguliert werden können oder keine eindeutige Indikation besteht, ist eine Hormontherapie nicht immer zwingend erforderlich.

BVF: Welche einfachen Maßnahmen kann jeder ergreifen, um seine Hormongesundheit zu unterstützen?

EL: Ein gesunder Lebensstil ist essenziell. Dazu gehören vor allem eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung, denn Normalgewicht mit wenigen Gewichtsschwankungen wirken sich essenziell auf den Hormonhaushalt aus. Ausreichend Schlaf, der bewusste Umgang mit Stress, der Verzicht auf Nikotin und übermäßigen Alkoholkonsum können hormonelle Schwankungen ebenfalls positiv beeinflussen.

 

Dieses Interview ist im April 2025 im Rahmen einer Pressemeldung des BVF zum ersten Welthormontag entstanden.