Pressemitteilung |

Stellungnahme des Berufsverband der Frauenärzte (BVF) zum Koalitionsvertrag

Nachdem das Mitgliedervotum der SPD eingeholt ist und dem gemeinsamen Koalitionsvertrag von Union und SPD nichts mehr im Wege steht, äußert sich der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) wie folgt: Der BVF begrüßt ausdrücklich die im Koalitionsvertrag formulierten Ziele zur Weiterentwicklung und Stabilisierung der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Besonders die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der ambulanten Versorgung sowie die angekündigten Reformen in der Krankenhausstruktur bieten wichtige Ansatzpunkte für eine zukunftsfähige und patientenzentrierte Gesundheitsversorgung. Dr. Klaus Doubek, Präsident des BVF, begrüßt die Sonderstellung der Gynäkologie beim verbindlichen Primärarztsystem: „Es wäre ein fataler Fehler gewesen, diese Ausnahme für die Hausärzte der Frauen, also für die Gynäkologinnen und Gynäkologen, nicht im Koalitionsvertrag festzuschreiben.“ Aus Sicht des BVF möchten wir folgende Punkte hervorheben:

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Stärkung und Sicherung der ambulanten Versorgung

Die ambulante fachärztliche Versorgung bildet einen unverzichtbaren Pfeiler der Gesundheitsversorgung – insbesondere in der frauenärztlichen Betreuung. Die angekündigten Maßnahmen zur Sicherung und Stärkung dieses Bereichs sind ein Schritt in die richtige Richtung. Gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung und den steigenden Versorgungsbedarf ist eine nachhaltige Unterstützung der niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte essenziell.

Einführung einer Bagatellgrenze bei Regressprüfungen

Die Einführung einer Bagatellgrenze von 300 Euro bei Regressprüfungen stellt eine wichtige Entlastung für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte dar. Damit wird ein überfälliges Signal gesetzt, dem zunehmenden Vertrauensverlust in die Prüfsystematik entgegenzuwirken und gleichzeitig mehr Rechtssicherheit im Praxisalltag zu schaffen.

Frauenmedizin im Fokus – Wechseljahre und Endometriose

Die zunehmende öffentliche und politische Aufmerksamkeit für die Themen Wechseljahre und Endometriose werten wir als wichtigen Schritt. Es ist zentral, diese Themen als eigenständige medizinische Herausforderungen zu behandeln, die eine spezialisierte Versorgung und verstärkte Forschung erfordern. Hierbei ist es uns wichtig, diese Themen in wissenschaftliche Evidenz und Seriosität einzubetten.

Schwangerschaftsabbruch

Einer breiten und evidenzbasierte Diskussion rund um den Schwangerschaftsabbruch stand und steht der BVF weiterhin offen gegenüber. Der BVF spricht sich für klare rechtliche und medizinische Rahmenbedingungen aus, die den Zugang zu sicheren und wohnortnahen Versorgungsangeboten gewährleisten. Für den BVF, als Vertretung der Frauenärztinnen und Frauenärzte, ist es elementar, dass es in der Debatte einer ausgewogeneren Betrachtung und der Einbeziehung aller Betroffenen – also auch der Ärzteschaft – bedarf.

Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung

Die Weiterentwicklung sektorenunabhängiger Fallpauschalen (Hybrid-DRGs) begrüßen wir ausdrücklich. Eine stärkere Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung ist im Sinne der Patientinnen und kann zur Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung beitragen. Es ist jedoch wesentlich, dass Hybrid-DRGs fair und realistisch gestaltet werden und keine zusätzlichen bürokratischen Hürden für die Leistungserbringer schaffen.

Klinikreform: Stärkung der Grundversorgung im ländlichen Raum

Die geplante Weiterentwicklung der Krankenhausreform unter Einbeziehung der Länderinteressen ist aus Sicht des BVF positiv zu bewerten. Besonders die geplanten Ausnahmen und erweiterten Kooperationen für die Grund- und Notfallversorgung – insbesondere in den Bereichen Gynäkologie und Geburtshilfe – sind wichtig für die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum.

Präventivmedizin

Wir begrüßen, dass ein verstärkter Fokus auf die Vermeidung von Krankheiten und die Prävention gelegt werden soll. So kann das Gesundheitswesen langfristig finanziell entlastet und die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gestärkt werden.

Cannabis und Schwangerschaft

Die angekündigte Evaluierung des Cannabisgesetzes im Herbst 2025 betrachten wir mit besonderem Interesse – insbesondere im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Schwangeren und ungeborenen Kindern. Der BVF appelliert an die Verantwortlichen, diesen Aspekt im Rahmen der Evaluation gesondert zu untersuchen und gesundheitspolitische Entscheidungen auf Grundlage belastbarer Daten zu treffen.

Datennutzung

Die Datennutzung zur Gesundheitsforschung begrüßt der BVF, weist aber darauf hin, dass der Schutz von sensiblen Gesundheitsdaten unabdingbar ist und zwingend für die Patientinnen und Patienten transparent und nachvollziehbar sein muss.

Finanzierung der Gesundheitsversorgung – fehlender Impuls zur Entlastung der GKV

Mit Bedauern stellen wir fest, dass im Koalitionsvertrag keine Lösung für die dringend notwendige Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Hinblick auf die Finanzierung der Gesundheitskosten von Bürgergeldempfängerinnen und -empfängern vorgesehen ist. Eine Verlagerung dieser Ausgaben auf andere Kostenträger – etwa die Bundesagentur für Arbeit oder das Bundesministerium für Arbeit und Soziales – wäre ein wichtiges Signal zur Stabilisierung der Beitragslasten in der GKV gewesen. Die fortgesetzte Finanzierung über die Sozialkassen schwächt die solidarische Krankenversicherung und belastet alle Beitragszahlerinnen und -zahler zusätzlich.

Fazit

Der BVF erkennt im Koalitionsvertrag zahlreiche positive Ansätze zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung. Gleichzeitig sehen wir an vielen Stellen den Bedarf an konkreter Ausgestaltung und enger Einbindung der Fachärzteschaft.

An der Herausforderung einer praxistauglichen Ausgestaltung zur Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen einzubringen – zum Wohle unserer Patientinnen und für ein zukunftssicheres Gesundheitssystem – arbeiten wir als Berufsverband gerne mit. Bei allem Respekt und Blick auf die Vergütungssituation ist jedoch eines klar, Strukturwandel gibt es nicht zum Nullsummenspiel.

Dr. Klaus Doubek, Präsident des Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)