Pressemitteilung |

Irrweg oder Strategie? Der Gesundheitsminister treibt die ambulante Versorgung in den Ruin und gefährdet damit die Sicherstellung der ambulanten Patientenversorgung

Es ist der 09. August 2023 in Berlin. Derweil der deutsche Gesundheitsminister beim Pressetermin zur Einführung des E-Rezepts den gut gelaunten TV-Promi gibt und beteuert, dass alles in bester Ordnung sei, treffen ebenfalls in Berlin allerdings ohne Kameras und teilweise mit dem Wissen, wie schlecht es wirklich um den deutschen Gesundheitssektor steht, zwei andere wichtige Akteure aufeinander. Die Verhandlungen zur Finanzierung der ambulanten Versorgung gehen in die erste Verhandlungsrunde und am Ende des Tages wird nicht weniger, als über die Sicherstellung der ambulanten Patientenversorgung in Deutschland entschieden. Auf der einen Seite die drei Vertreter der KBV, auf der anderen die drei Vertreter des GKV-Spitzenverbandes.

 

Wir teilen die Forderung der KBV

Die KBV fordert eine Erhöhung des Orientierungswertes (OW) um 10,2 Prozent. Dieser Forderungen schließt sich der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) an. „Noch nie in meiner gesamten berufspolitischen Zeit, habe ich so viel Frust und Resignation bei meinen Kolleginnen und Kollegen gesehen. Es gibt Praxen, die stehen finanziell und mental mit dem Rücken zur Wand – die brechen uns über kurz oder lang aus der ambulanten Versorgung weg, wenn jetzt nichts passiert“, sagt Dr. Klaus Doubek, 1. Vorsitzender und Präsident des BVF.

„Die von den Krankenkassen angebotenen 2,1 Prozent sind ein Schlag ins Gesicht der niedergelassenen Vertragsärzte“, sagt Dr. Rolf Englisch, Leiter der AG Honorar und Vorstandsmitglied im BVF und führt weiter aus: „Das hat nichts mit betriebswirtschaftlicher Rechnung zu tun. Wir haben alle unter der steigenden Inflation zu kämpfen und wollen unseren Mitarbeiterinnen einen fairen Lohn für die hervorragende Arbeit zahlen.“

Rein betriebswirtschaftlich geht es zum einen um die Kostendeckung, die durch die Inflation, die Kostensteigerung, die marginale Anpassung des OW usw. abgefedert werden muss. Der Ärzteschaft geht es aber um mehr, z.B. um die vermurkste Digitalisierung, die Prozesse eigentlich verbessern und Abläufe effizienter machen soll. Soweit die Theorie. Im Praxisalltag hingegen führt sie zu großem Frust, weil die Anwendungen nur Zeit kosten und keine Verbesserung der Versorgung der Patientinnen mit sich bringt, auch wenn der Herr Gesundheitsminister öffentlichkeitswirksam anderes behauptet.

Wahrnehmungsprobleme oder absichtliches Ausblenden?

Die Wahrnehmung des Gesundheitsministers scheint so und so einseitig oder zumindest eingeschränkt zu sein. So fühlt es sich zumindest aus der Perspektive der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte an. „Der Gesundheitsminister nimmt die niedergelassene Ärzteschaft nicht nur nicht wahr, sondern er bzw. sein Ministerium bezichtigt eben diese der Unlauterkeit und betrachtet die niedergelassene Ärzteschaft eher als Hemmnis für seine gesundheitspolitischen Ziele. Vielleicht hat er deshalb Leistungskürzungen durch Wegfall der Neupatientenregelung zugestimmt und gleichzeitig eine zusätzliche Belastung der Steigerung der Wochenarbeitszeit für die Kolleginnen und Kollegen initiiert“, meint Markus Haist, 2. Vorsitzender des BVF.

Ein Blick auf die Gesetzesinitiativen des BMG und der (Nicht-) Umgang mit den Vertretern der ambulanten Versorgung mag die Frage aufwerfen, ob Prof. Dr. Lauterbach vielleicht sogar fächerübergreifend ein Problem mit den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen hat. Wenn dem so ist, sollte er seine persönlichen Ressentiments überdenken und den ambulanten Sektor tunlichst stärken, statt ihn weiterhin zu schwächen: Denn wie der gestern durch das ZI veröffentlichte Versorgungsatlas ermittelt hat, wird die ambulante Versorgung in Zukunft noch nachgefragter werden. Wenn Prof. Dr. Lauterbach seinem Irrweg treu bleibt, stellt sich allerdings die Frage, wo die ambulante Versorgung 2035 – und auch schon in naher Zukunft – stattfinden soll, da ein Praxensterben vorprogrammiert ist.

„Statt unnötiger Doppelstrukturen durch Gesundheitskioske, die nur weitere Verwaltungskosten verschlingen, aber keinesfalls zur Verbesserung der Patientenversorgung führen, wäre es hingegen wichtig, bereits bestehende Strukturen sinnvoll zu nutzen und diese vernünftig auszustatten. Ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe mit den beteiligten Akteuren wäre ein wünschenswerter Nebeneffekt“, fasst Dr. Rolf Englisch die Situation zusammen.

Wir erwarten ein Angebot

Der BVF fordert den Bundesgesundheitsminister und den GKV-Spitzenverband auf, die Arbeit der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen durch ein existenziell notwendiges und der erbrachten Arbeit würdigendes Angebot zu unterbreiten.

Solange dies nicht geschieht, unterstützt der BVF die verschiedenen Protestaktionen und steht hinter den Praxen, die sich diesen Protesten anschließen. Auch hinter denen, die bis aufs Äußerste gehen und sich an Praxisschließungen beteiligen.