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Raus aus der Tabuzone - Belastungsinkontinenz nach Geburt und in den Wechseljahren in der Frauenarztpraxis Ansprechen. BVF informiert zum Weltinkontinenztag am 30. Juni über Behandlungsansätze

Viele Frauen kennen es, wenige sprechen darüber – ein Niesen, Husten oder Lachen – und ungewünscht geht Urin ab. Zum Weltinkontinenztag am 30. Juni macht der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) auf die häufigste Form der Harninkontinenz aufmerksam – die Belastungsinkontinenz. Besonders betroffen sind Frauen nach vaginalen Geburten sowie in den hormonellen Umbruchphasen rund um die Wechseljahre. Die gute Nachricht: Es gibt konservative, wirksame Behandlungsansätze – allen voran das kontinuierliche Beckenbodentraining und die individuell anpassbare Pessartherapie.

Schätzungsweise 15 Prozent der Frauen in Deutschland sind von Harninkontinenz betroffen – mit steigender Tendenz im höheren Lebensalter.(1) Besonders häufig tritt die sogenannte Belastungsinkontinenz auf, bei der körperliche Anstrengung, Druck oder Bewegung zu ungewolltem Urinverlust führen. Ursache dafür sind Beckenbodenschwächen, die häufig infolge von Schwangerschaft, Geburt oder den hormonellen Veränderungen, gerade in den Wechseljahren, entstehen. Dabei ist Harninkontinenz kein Tabuthema, sondern eine weit verbreitete medizinische Herausforderung – und vor allem: gut behandelbar. Dennoch suchen viele Frauen aus Scham oder Unsicherheit erstmal keine Hilfe oder erst nach vielen Jahren der geminderten Lebensqualität. Der BVF sensibilisiert daher: Frühzeitige fachärztliche Beratung ist entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung und eine gesteigerte Lebensqualität.

Therapie der Belastungsinkontinenz: Bewährte Methoden und unbekanntere Hilfsmittel

Die Behandlung der Belastungsinkontinenz erfolgt stufenweise – abhängig von Ausprägung und Lebensphase. Nach einer ausführlichen Anamnese und Diagnostik, um andere Ursachen auszuschließen, ist die erste Maßnahme meist ein gezieltes Beckenbodentraining, idealerweise angeleitet durch spezialisierte Physiotherapeutinnen oder -therapeuten. Ergänzend kommen Verfahren wie Biofeedback, Elektrostimulation oder kontinenzfördernde Hilfsmittel zum Einsatz. Ein bewährtes, etwas unbekannteres und oft unterschätztes Mittel der Wahl ist das Pessar – ein kleines, medizinisches Silikon-Hilfsmittel, das vaginal eingeführt wird und das die Harnröhre mechanisch stützt und den Beckenboden entlastet.(2)

Pessartherapie: Alltagstauglich, wirksam, individuell anpassbar

Pessare bieten vielen Frauen eine effektive Hilfe – insbesondere, wenn eine Operation nicht gewünscht oder medizinisch nicht angezeigt ist. Neue Studien zeigen: Pessare verbessern die Symptome der Belastungsinkontinenz signifikant, werden gut vertragen und führen zu hoher Patientinnenzufriedenheit – besonders bei Frauen in der Rückbildungsphase nach der Geburt und in den Wechseljahren.(3, 4)

Dr. Thomas Fink, Leiter des Sana Beckenbodenzentrums Berlin und Mitautor der S2k-Leitlinie "Harninkontinenz der Frau" unterstreicht:

Pessare sind eine flexible, sofort wirksame und nicht-invasive Therapieoption. Sie eignen sich besonders für Frauen, die aktiv im Alltag stehen und eine unkomplizierte Lösung suchen. Wichtig ist die individuelle Anpassung durch die Frauenärztin oder den Frauenarzt – dann lässt sich der Nutzen optimal ausschöpfen.

Pessare werden in der gynäkologischen Praxis angepasst und können nach Einweisung von den Patientinnen eigenständig verwendet werden. Regelmäßige Kontrollen und eine sorgfältige Hygiene gewährleisten eine sichere Anwendung.

Der BVF weist im Rahmen seiner Schwangerenvorsorgekampagne „Schwanger mit dir“(5) auf die postpartale Nutzung von Pessaren hin. Am 30. Juni wird hierzu auf Instagram ein Reel mit einer laienverständlichen Erklärung zu unterschiedlichen Pessaren veröffentlicht, das die früheren Informationen zu Rückbildung und Beckenbodenübungen ideal ergänzt.

Operative Optionen – nur nach sorgfältiger Abwägung

Wenn konservative Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen, können operative Therapien sinnvoll sein – etwa bei starker Senkung oder kombiniertem Beschwerdebild. Diese Eingriffe sollten jedoch erst nach dem Ausschöpfen nicht-invasiver Optionen und in enger Abstimmung mit einer Frauenärztin oder einem Frauenarzt erfolgen. Die aktuelle AWMF-Leitlinie zur Harninkontinenz bietet hierfür evidenzbasierte Orientierung.
Inkontinenz betrifft viele Frauen – aber sie muss nicht hingenommen werden. Die Devise lautet: Frühzeitig behandeln – ohne Scham. Wer Symptome wie Harnverlust bei Belastung bemerkt, sollte ohne Scheu den Weg in die frauenärztliche Praxis finden. Bereits einfache konservative Maßnahmen wie Beckenbodentraining oder die Pessartherapie können die Lebensqualität nachhaltig verbessern. Der erste Schritt: offene Aufklärung und ein verständnisvolles, fachärztliches Gespräch.

Quellen und weiterführende Informationen:
(1, 2)    https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-091l_S2k_Harninkontinenz-der-Frau_2022-03.pdf
(3)    https://link.springer.com/article/10.1007/s41974-024-00336-8
(4)    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38455997/
(5)    https://www.instagram.com/schwangermitdir/