Pressemitteilung |

Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) erinnert zum Welttag des alkoholgeschädigten Kindes am 9. September 2025: Es gibt keine „sichere“ Menge Alkohol in der Schwangerschaft und keine unbedenklichen Ausnahmen

Ein Schlückchen hier, ein Gläschen da – zum Anstoßen, beim Kochen, in gemütlicher Runde: In einer Gesellschaft, in der Alkohol zum Alltag gehört wird selten gefragt, was dieser Konsum für das ungeborene Leben bedeuten kann. Doch schon geringe Mengen Alkohol in der Schwangerschaft können das sich entwickelnde Gehirn des Kindes dauerhaft schädigen. Anlässlich des Welttags des alkoholgeschädigten Kindes am 9. September warnt der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) wiederholt und eindringlich: Jährlich werden tausende Kinder mit alkoholbedingten Schädigungen geboren – obwohl diese zu 100 Prozent vermeidbar wären.

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Fetale Alkoholspektrumsstörungen (FASD) sind in Deutschland weiterverbreitet, als viele glauben, und dabei völlig vermeidbar. Beim Thema Alkohol in der Schwangerschaft gibt es keine unbedenklichen Mengen und auch vermeintlich kleine Ausnahmen beim Alkoholverzicht können dem Kind bereits schaden. Es muss hier noch mehr gesellschaftliche Aufklärung erfolgen, dass die einzig wirksam vorbeugende Maßnahme der Verzicht auf Alkohol in der Schwangerschaft ist. Es kommt selten vor, dass informierte Schwangere mit Absicht Alkohol konsumieren.

statiert Dr. Cornelia Hösemann, Vorstandsmitglied des BVF.

Alkohol – ein gesellschaftlich akzeptiertes Zellgift

Alkohol wirkt als Zell- und Nervengift und beeinflusst nahezu alle Organsysteme. Er erhöht das Risiko für Leberschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen und psychische Störungen. Bereits geringe Mengen führen zu Einschränkungen der Reaktionsfähigkeit, der Impulskontrolle und der geistigen Leistungsfähigkeit. In der Schwangerschaft ist Alkohol besonders gefährlich: Denn das ungeborene Kind „trinkt“ uneingeschränkt immer mit und ist der Substanz schutzlos ausgeliefert, da Alkohol ungehindert die Plazentaschranke passiert und somit in den fetalen Blutkreislauf gelangt. Die noch unentwickelte Leber des ungeborenen Kindes kann Alkohol jedoch nicht abbauen und das Gift verbleibt über Stunden im kindlichen Körper, wo es besonders schädlich wirkt, genau in dem Moment, in dem sich Gehirn, Organe und Nervensystem entwickeln.

FASD ist nur die Spitze des Eisberges

FASD ist die häufigste nicht-genetische Ursache für Entwicklungsstörungen: darunter fällt ein breites Spektrum körperlicher, neurologischer und geistiger Störungen. Betroffene Kinder leiden häufig unter Lernproblemen, Konzentrationsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Erkrankungen – mit Auswirkungen auf Schulalltag, Sozialleben und Lebensqualität. Doch auch außerhalb einer klinischen FASD-Diagnose kann Alkohol in der Schwangerschaft zahlreiche weitere Schäden verursachen, darunter:

  • Erhöhtes Risiko für Fehl- oder Frühgeburten
  • Herzfehler, Nierenanomalien, Wachstumsstörungen
  • Stillprobleme und Entwicklungsverzögerungen im Säuglingsalter
  •  Epigenetische Veränderungen, die den kindlichen Stoffwechsel langfristig beeinflussen können


Aufklärung statt Unsicherheit – Unterstützung statt Tabu

Trotz eindeutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse kursieren in der Gesellschaft weiterhin Mythen: Ein Glas sei unbedenklich, später in der Schwangerschaft sei Alkohol erlaubt oder bestimmte Sorten (etwa Sekt oder Wein) seien harmloser. Die aktualisierte S3-Leitlinie zu FASD (1) sowie der vom BVF gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG, ehemals Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) erstellte Beratungsleitfaden „Alkoholfrei in der Schwangerschaft“ (2) widersprechen klar: Es gibt keine sichere Dosis, keine ungefährliche Phase und kein unproblematisches Getränk.

Gesellschaftliche Verantwortung – medizinische Klarheit

Die Mutterschaftsrichtlinie sieht bereits bei dem ersten Schwangerenvorsorgetermin in der frauenärztlichen Praxis die Beratung zu Alkohol und anderen Risikofaktoren vor – ein Zeitpunkt, zu dem die meisten Frauen bereits einige Wochen schwanger sind. Das Wissen über die schädigende Wirkung von Alkohol sollte daher idealerweise bereits vor Eintreten einer Schwangerschaft existieren. 

Aufklärung darf keine individuelle, rein ärztliche Aufgabe bleiben. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem der Verzicht auf Alkohol in der Schwangerschaft selbstverständlich ist und nicht erklärt, verteidigt oder belächelt werden muss.

betont Dr. Cornelia Hösemann. 


Der BVF spricht sich dafür aus, das Thema FASD-Prävention langfristig und breit zu verankern durch Aufklärung, Empathie und fachlicher Unterstützung. Dafür braucht es:

  • Bereits frühzeitig Aufklärung über negative Auswirkungen des Alkoholkonsums
  • Frühzeitige Beratung zum Alkoholverzicht bereits bei erstem Kinderwunsch
  • Verankerung der Alkoholprävention in der frauenärztlichen Betreuung
  • Gezielte Fortbildungsangebote für medizinisches Personal
  • Gesellschaftliche Kampagnen für ein unterstützendes Umfeld – auch Partner, Familien und Freundeskreise sind gefordert

Der BVF sensibilisiert auf seinen Social-Media-Kanälen der Kampagne „Schwanger mit dir“ anlässlich des Welttags des alkoholgeschädigten Kindes ebenfalls für die Thematik. Im Videointerview erklärt Frauenärztin und Perinatalmedizinerin Priv. Doz. Dr. med. Manuela Tavares de Sousa, dass „alkoholfrei“ nicht ohne Alkohol bedeutet und für die Schwangerschaft nur Getränke mit 0,0 Prozent Alkohol als sicher gelten.

Ein gesundes Leben beginnt mit einer klaren Entscheidung

FASD ist zu 100 Prozent vermeidbar. Die Voraussetzung: vollständiger Verzicht auf Alkohol in Schwangerschaft und Stillzeit. Der BVF appelliert zum Welttag des alkoholgeschädigten Kindes an Politik, Gesundheitswesen und Gesellschaft: Helfen wir mit, die Zukunft unserer Kinder gesund zu erhalten: durch Wissen, Verantwortung und Fürsorge.

Quellen und weitere Informationen:
(1) https://www.bvf.de/aktuelles-presse/artikel/s3-leitlinie-fuer-fetale-alkoholspektrumstoerungen-aktualisiert/
(2) https://www.bvf.de/aktuelles-presse/artikel/aktualisierter-beratungsleitfaden-alkoholfrei-in-der-schwangerschaft/
(3) https://www.frauengesundheitsportal.de/themen/alkohol/
(4) https://www.bioeg.de/presse/pressemitteilungen/2023-09-07-ohne-ausnahme-kein-alkohol-in-der-schwangerschaft/