Pressemitteilung |

Berufsverband der Frauenärzte zum Weltdrogentag am 26. Juni: Hilfe annehmen ist der erste Schritt – auch bei Tabak, Alkohol oder Cannabis – insbesondere bei Kinderwunsch, Schwangerschaft und in der Stillzeit

Anlässlich des Weltdrogentags am 26. Juni sensibilisiert der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) für die gesundheitlichen Risiken von allen legalen und illegalen Suchtmitteln für die Gesundheit. Der BVF betont: Sucht ist eine behandelbare Erkrankung – und keine Frage von Willensschwäche. Wer einen Kinderwunsch hat, schwanger ist oder stillt, muss beim Umgang mit „Genuss-“ und Suchtmitteln klare Entscheidungen treffen – professionelle Hilfe ist dabei kein Optionalprogramm, sondern eine notwendige Unterstützung für die Gesundheit von Mutter und Kind. Frauenärztinnen und Frauenärzte stehen als erste Ansprechpartner zur Seite und unterstützen Betroffene gemeinsam mit spezialisierten Beratungsangeboten. Insbesondere die Phase rund um Kinderwunsch und Geburt kann eine wichtige Chance für Veränderung sein – mit professioneller Begleitung ist der Weg in ein suchtfreies Leben möglich.

Viele bringen den Begriff „Drogen“ ausschließlich mit harten, illegalen Substanzen in Verbindung. Dabei gehören auch legale Mittel wie Alkohol, Tabak und insbesondere Cannabis dazu – und werden in der Öffentlichkeit oft verharmlost.

Dr. Cornelia Hösemann, niedergelassene Frauenärztin und Vorstandsmitglied im BVF warnt:

Gerade auch Vaping oder ein bisschen Rauchen, ein Schlückchen Alkohol oder Cannabis gelten in vielen Köpfen noch als harmlos – dabei zeigen Studien eindeutig, dass der Konsum in der Schwangerschaft und Stillzeit große Risiken birgt. Psychoaktive, karzinogene und teratogene Substanzen können die Entwicklung des Kindes empfindlich stören, das Risiko für Frühgeburten deutlich erhöhen und Fehlbildungen verursachen.

Cannabis: Studien zeigen Risiken für das ungeborene und gestillte Kind

Während die Schädigungen bei Alkohol und Tabak bereits gut dokumentiert und bekannt sind, muss bei Cannabis noch mehr aufgeklärt werden. Internationale Forschungsergebnisse zeigen: Regelmäßiger Cannabiskonsum während der Schwangerschaft kann die Gehirnentwicklung des Kindes nachhaltig stören. Zu den möglichen Folgen gehören Aufmerksamkeitsprobleme, Störungen der Sprachentwicklung und ein erhöhtes Risiko für Verhaltensauffälligkeiten. Auch Frühgeburten und ein zu niedriges Geburtsgewicht treten häufiger auf. (1, 2, 3)

Frau Dr. Hösemann ergänzt:

Cannabis wird zunehmend verharmlost – dabei ist es ein psychoaktives Rauschmittel, das beim Ungeborenen bleibende Schäden hinterlassen kann. Gerade in der Schwangerschaft ist Vorsicht geboten, und Schwangere sollten auf das Kiffen verzichten. Auch während der Stillzeit ist der Konsum schädlich, erste Studien zeigen schon jetzt eine viel höhere THC-Konzentration in der Muttermilch als im mütterlichen Blutplasma. Das Baby konsumiert also auch in der Stillzeit erwiesenermaßen mit, auch das kann zu langanhaltenden Störungen der Gehirnfunktion führen. (4)

Sucht ist behandelbar – Hilfe zu suchen, ist Stärke

Viele schwangere Frauen möchten ihr Konsumverhalten ändern – doch der Weg in die Abstinenz gelingt nicht immer allein. Scham, Schuldgefühle oder die Angst vor Stigmatisierung hindern viele daran, offen über ihren Konsum zu sprechen – sei es gelegentliches Rauchen, das Glas Sekt zur Feier oder eine manifeste Abhängigkeit. Der BVF betont immer wieder: Jeder Konsum – gerade in der Schwangerschaft und Stillzeit – kann Auswirkungen auf das ungeborene Kind und den Säugling haben – unabhängig davon, wie „harmlos“ er erscheinen mag. So gibt es etwa auch bei Alkohol keine erwiesene, sichere Menge, die in Schwangerschaft konsumiert werden kann. (5) Und eine Sucht ist eine chronische Erkrankung, keine moralische Verfehlung. Frühzeitige Unterstützung hilft, Risiken zu minimieren – für Mutter und Kind.

Dr. Cornelia Hösemann betont:

Ein vertrauensvolles Gespräch mit der Frauenärztin oder dem Frauenarzt kann der erste Schritt sein. Wir möchten betroffenen Frauen Mut machen: Sie müssen diesen Weg nicht allein gehen. Es gibt einige Hilfsangebote, die neben der Frauenarztpraxis eine Anlaufstelle sein können. Es gibt auch viele Möglichkeiten für eine anonyme Beratung.

Auf dem Instagramkanal der BVF-Kampagne zur Schwangerenvorsorge „Schwanger mit dir“ beantwortet Frauenarzt Dr. Konstantin Wagner anlässlich des Weltdrogentages Fragen der Follower wie beispielsweise „Macht Cannabis unfruchtbar?“ oder „Ist Vaping in der Schwangerschaft okay?“.

Beratung und Unterstützung: Angebote für einen gesunden Neustart

In der frauenärztlichen Versorgung wird das Thema Suchtverhalten und Konsum aktiv angesprochen – niedrigschwellig und ohne Vorurteile. Gerade in der Schwangerenvorsorge im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinie. Zusätzlich stehen spezialisierte Programme bereit, die Betroffene und auch betroffene Schwangere individuell unterstützen können – zum Beispiel diese:

•    IRIS-Plattform (www.iris-plattform.de): anonymes Online-Beratungsprogramm bei Alkohol- und Tabakkonsum in der Schwangerschaft
•    Drugcom (www.drugcom.de): Informationsportal zu Wirkstoffen, Risiken und Hilfsangeboten – auch für Cannabiskonsum, mit einem Selbsttest zur Einschätzung
•    Kenn dein Limit (www.kenn-dein-limit.de): Aufklärung über Alkoholkonsum mit Selbsttests und einem Extrabereich für Schwangerschaft und Stillzeit
•    Bundesstiftung Mutter und Kind (www.bundesstiftung-mutter-und-kind.de): Unterstützungsangebote für Schwangere in Notlagen, inklusive Suchtproblematiken
•    Familienplanung (www.familienplanung.de): Informationsportal zu Schwangerschaft, ebenso mit einer Rubrik „Das Baby vor Gefahren schützen“ zu einer substanzfreien Schwangerschaft
•    Suchthilfeverzeichnis (www.dhs.de/service/suchthilfeverzeichnis): Deutschlandweite Suche nach Beratungsstellen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V.

Ob vollständiger Ausstieg oder begleitete Reduktion – jede positive Veränderung zählt für die eigene Gesundheit und die Gesundheit des Ungeborenen und des Säuglings. Kinderwunsch ist für viele Frauen ein Wendepunkt im Leben. Die professionelle und medizinische Begleitung hilft, realistische und gesunde Ziele zu setzen – auch in kleinen Schritten.

Gemeinsam statt allein: Gesellschaftliche Verantwortung stärken

Nicht nur Betroffene selbst sind gefragt – auch Ärztinnen und Ärzte, Angehörige, Beratende und die Gesellschaft als Ganzes spielen eine Rolle. Stigmatisierung von Betroffenen hilft niemandem. Eine offene Haltung und professionell koordinierte Hilfe verbessern die Chancen für Mutter und Kind entscheidend: Denn aus einer Krise kann eine Chance werden.

Quellen:

(1)    https://www.gelbe-liste.de/neurologie/cannabis-schwangerschaft
(2)    https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Haeufiger-Verhaltensstoerungen-des-Kindes-bei-muetterlichem-Cannabiskonsum-457035.html
(3)    https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/2833505
(4)    Shenkoya, B., V. Yellepeddi, K. Mark and M. Gopalakrishnan (2023). "Predicting Maternal and Infant Tetrahydrocannabinol Exposure in Lactating Cannabis Users: A Physiologically Based Pharmacokinetic Modeling Approach." Pharmaceutics 15(10).
(5)    https://shop.bioeg.de/andere-umstaende-neue-verantwortung-32041000/